Ein Plädoyer, warum Du mit dem Smartphone statt einer Spiegelreflex-Kamera fotografieren solltest.
Bitte denke einige Sekunden über diese Frage nach: Was ist wichtiger für einen Fotografen, als eine tausende Euro teure Kameraausrüstung zu besitzen, mit der man alle erdenklichen Motive in höchster Qualität abbilden kann? Du merkst sicher schon an der Art der Fragestellung, in welche Richtung die Antwort gehen könnte, an die ich denke. Ein Zitat des großen Fotografen Elliot Erwitt, der zeitweise Präsident der renommierten Bildagentur Magnum war, beantwortet sie zum Teil:
„Wenn man zu Hause sitzt, passiert nichts. Ich lege immer Wert darauf, immer eine Kamera bei mir zu haben… Ich fotografiere nur, was mich in diesem Moment interessiert.“ (Elliot Erwitt)
Wichtiger als eine sauteure Kameraausrüstung sein Eigen zu nennen ist also der Akt des Fotografierens. Klingt eigentlich banal, denn dafür hast Du ja schließlich die Kameraausrüstung. Doch wie oft fotografierst Du tatsächlich damit? Im Alltag ist es einfach zu umständlich, ständig mit Fototasche unterwegs zu sein. Und so vergehen die Tage und Du hoffst auf freie Zeit am Wochenende oder im Urlaub, um endlich einmal mit der großen Kamera Deiner Leidenschaft frönen zu können. Und nicht selten brauchst Du dann wieder Eingewöhnungszeit, um die Kameratechnik wieder einigermaßen zu beherrschen. Am Ende wird es dann doch wieder die Einstellung „Auto“ oder für die Fortgeschrittenen die Blenden- beziehungsweise Zeitautomatik.
Smartphone-Kamera ist besser als gar keine Kamera
Dein Smartphone trägst Du täglich mit dir herum. Und eigentlich weißt Du, dass die Kamera deines Smartphones ganz passable Fotos ermöglicht. Doch mit einem Smartphone zu fotografieren statt nur zu knipsen, das kratzt an Deiner Fotografen-Ehre. Aber unterschätze nicht die Möglichkeiten, die dir die Smartphone-Fotografie bietet. Denn auch wenn die technischen Möglichkeiten einer Smartphone-Kamera gegenüber einer DSLR-Kamera stark eingeschränkt sind. Das Bild zählt, das Du aufnimmst. Dazu habe ich eine passende Anekdote parat, von Helmut Newton:
Der Koch: „Ihre Fotos gefallen mir, Sie haben bestimmt eine gute Kamera!”. Helmut Newton nach dem Essen: „Das Essen war vorzüglich – sie haben bestimmt gute Töpfe!”
Kein Ersatz für eine DSLR, aber eine super Ergänzung
Ich besitze eine Canon EOS 5D Mark II. Ich liebe es, mit dieser schon betagten Spiegelreflexkamera zu fotografieren. Denn ich kenne über die Jahre jede Einstellung blind und so kann ich mich voll auf das Fotografieren konzentrieren. Trotz allem: Ich fotografiere mittlerweile viel häufiger mit meinem Smartphone. Denn das habe ich immer bei mir und viele wirklich schöne Motive hätte ich daher mit der großen Kamera nie festhalten können – eben weil ich sie nur selten mitnehme, beziehungsweise nur dann, wenn ich mir vornehme zu fotografieren.
Mit dem Smartphone ist das anders: Ich fotografiere spontan Motive, die mir im alltäglichen Umfeld begegnen. Mit der Zeit hat sich mein Blick für diese Motive auch in den scheinbar uninteressantesten Orten geschärft. Man kann überall Motive entdecken, die es wert sind, fotografiert zu werden. Wirklich überall! Ich trainiere so also täglich mein Sehen und vor allem meine Achtsamkeit. Denn ich achte nun viel Stärker auf die Umwelt und die Motive, die es um mich herum zu entdecken gibt. Dieses tägliche fotografische Training hebt auch die Fotos auf ein neues Level, die ich mit meiner Spiegelreflexkamera aufnehme.
Smartphone-Fotografie ist spontan und direkt
Entschuldige die direkten Worte: Aber Du wärst schön blöd, wenn Du die Smartphone-Kamera nicht zum Fotografieren verwenden würdest. Ja, ich meine wirklich „Fotografieren“ und nicht knipsen. Übrigens wurden auch die kleinen Kameras eines deutschen Herstellers einst von ambitionierten Fotografen ebenso unterschätzt wie die Smartphone-Kameras heute: gemeint ist Leica und die ersten kompakten Kameras mit Kleinbild-Film. Henri Cartier-Bresson, der Mitbegründer von Magnum, konnte erst mit der kompakten Leica-Kamera eine ganz neue Bildsprache in die Fotografie bringen, die man heute noch in der Steetphotography wiederfindet. Spontane und lebendige Motive kannst Du auch mit dem Smartphone besonders gut einfangen und schon längst ist auch der Einfluss der Smartphone-Fotografie auf die moderne Bildsprache unübersehbar. Und ein Schlusswort zu den technischen Einschränkungen der Smartphone-Kamera: Viele professionelle Fotografen reduzieren die technischen Möglichkeiten ihrer Kamera absichtlich auf das Wesentliche, damit die technischen Möglichkeiten der Kamera nicht vom Fotografieren ablenken. Henrie Cartier-Bresson fotografierte beispielsweise zeitlebens ausschließlich mit einer Leica-Messsucherkamera und einem 50-mm-Festbrennweiten-Objketiv. Der Nachteil einer Smartphone-Kamera wird also so wieder zum Vorteil, wenn es um das geht, worauf es ankommt: Das Fotografieren.
Titelfoto: Nicht korrigierte stürzende Linien vom Weitwinkel. Warum soll ich da überhaupt noch weiterlesen? Das ist keine Fotografie sondern Knipserei. Und Ciao4ever.
Ich antworte einmal mit einem Zitat des großen Fotografen Andreas Feininger:
Die Tatsache, dass eine technisch fehlerhafte Fotografie gefühlsmäßig wirksamer sein kann als ein technisch fehlerloses Bild, wird auf jene schockierend wirken, die naiv genug sind, zu glauben, dass technische Perfektion den wahren Wert eines Fotos ausmacht.